Hüter der Grenzen

Nein, sie werden ihr „Siebenergeheimnis“ nicht verraten. Da nützt es auch nichts, wenn man vom Amt kommt und doppelt und dreifach nachfragt: Den Feldgeschworenen, die im großen Sitzungssaal in Bad Kissingen geehrt wurden, darunter der Bad Kissinger Kreisobmann Otto Funck und der Kreisobmann für Hammelburg, Peter Hart aus Fuchsstadt, kam ein Wort über die Lippen, was das große Geheimnis anbelangt. Sie schworen einst den Eid der Verschwiegenheit und der gilt eben ein Leben lang. Voll des Lobes zeigte sich Landrat Thomas Bold über das Engagement der Männer im Alter von 50 bis 88 Jahren. „Durch ihre Ortskenntnis und die jahrelange Erfahrung leisten Feldgeschworene auch in Zeiten der Digitalisierung und Satellitenvermessung einen wichtigen Beitrag für den Landkreis“, sagte Bold. Er übergab zusammen mit Albert Köder, Vermessungsdirektor, Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Bad Kissingen, die Urkunden und weitere Präsente. „Ein ganz besonderer Dank gilt den Feldgeschworenen auch für ihren Einsatz während der Coronazeit“, sagte Köder, denn die Männer seien - unter Einhaltung der Hygieneregeln - immer vor Ort gewesen, wenn es erforderlich gewesen sei. Unter den Geehrten finden sich auch vier Waldgeschworene, die den Feldgeschworenen zugeordnet sind. Frauen kamen bei dieser Ehrung nicht zum Zug, aber nicht, weil es sie bei den Feldgeschworenen im Landkreis nicht gibt, sondern weil keine Vertreterin 25, 40, 50, 55 oder 60 Jahre als Feldgeschworene tätig ist. Seit 1981 können Frauen Feldgeschworene oder Siebenerin sein, davor galt die Arbeit als reine Männerdomäne. In Bad Kissingen zählen Frauen seit 1992 zu den Feldgeschworenen. 

Auf dem Viermärker gestaucht

Als echten Feldgeschworenen darf man sich erst nach dem Stauchen bezeichnen. So nennen die Männer und Frauen das Aufsetzen jedes neuen Feldgeschworenen auf einem Grenzstein. Kreisobmann Otto Funck erinnert sich noch ganz genau daran. „Bei mir war das 1971 auf dem Viermärker am Sinnberg. Hausen, Nüdlingen, Winkels und die Gemarkung der Stadt Stadt Bad Kissingen treffen hier zusammen.“ Der 78-Jährige wurde 2006 zum Ortsobmann gewählt, seit 2012 ist er als Kreisobmann tätig. „Bei der Gebietsreform 1972 wurde versäumt, Arnshausen und Reiterswiesen wieder in die Stadt zu holen“, weist er auf eine Besonderheit hin. Das hatte zur Folge, dass die beiden Stadtteile jetzt noch in die Traditionen des Bruderbundes Schweinfurt Nord eingebunden sind. Der Landkreis Bad Kissingen ist aufgeteilt in Bad Kissingen West und Bad Kissingen Ost, und Altlandlandkreis Hammelburg und Altlandkreis Bad Brückenau. Weil die Stadt Bad Kissingen keine eigenen Feldgeschworenen hat, wird die Arbeit im Stadtbereich von den angrenzenden Feldgeschworenen aus Arnshausen, Garitz, Hausen und Reiterswiesen übernommen. „Wir pflegen gute Verbindungen zum Landratsamt, hier werden alle rechtlichen Fragen abgeklärt. Dem Landratsamt obliegt unsere Rechtsaufsicht“, lobt Funck. Dazu zählt auch die Unfallversicherung für die Feldgeschworenen, die während der Grenzgänge und ihrer weiteren Tätigkeiten für das Amt über die gemeindliche Versicherung versichert sind. Die Fachaufsicht obliegt dem Amt für Breitband, Digitalisierung und Vermessung. 

Frauen sind genauso kompetent

„Feldgeschworener zu sein ist wirklich Dienst an den Mitbürgern und Mitbürgerinnen, wir helfen, dass Recht und Ordnung in Bezug auf Grundstücke und deren Grenzen herrscht“, sagt Hammelburgs Kreisobmann Peter Hart, der für 25-jährige Zugehörigkeit geehrt wurde. Seine Stauchung erlebte er am Dreimärker Fuchsstadt, Hammelburg, Pfaffenhausen. Zum Altlandkreis Hammelburg zählten früher 37 selbstständige Gemeinden, die heute in acht Verwaltungsgemeinschaften zusammengefasst sind. Rund 215 Feldgeschworene gibt es im Altlandkreis, darunter befindet sich eine Frau, eine weitere spricht demnächst ihren Eid. „Ursprünglich waren Feldgeschworenen häufig Männer, die in der Landwirtschaft arbeiteten“, erklärt Hart. „Sie waren schnell vor Ort, aufgrund der geänderten Arbeitsstrukturen stehen weniger Männer zur Verfügung“, führt der 67-Jährige aus und schließt an „Frauen sind genauso kompetent, bei uns in der Vereinigung gab es keine Bedenken.“ 

Senkel für 40 Jahre 

Egal ob Mann, Frau oder diverse Personen, der Wahlspruch für alle lautet: „Tue Recht – fürchte Gott –scheue niemand“. Jeder zu Ehrende im Landratsamt erhielt eine Urkunde. Sechs Steinsetzer mit 40-jähriger Zugehörigkeit bekamen noch einen Senkel, an ein rot-weißes Band geknüpft, als Geschenk. Mit diesem 150 Gramm schweren Senklot oder Richtblei aus Messing in Birnenform mit Stahlspitze, bestimmt man den genauen Punkt der Senkrechten. Aufgabe der Feldgeschworenen ist es, Gemeindegrenzen zu kontrollieren und den Verlauf der Grenzsteine zu dokumentieren. Das kann durchaus in Schwerarbeit ausarten – vor allem, wenn die Sonne vom Himmel brennt oder es in Strömen regnet. Natürlich kommt es vor, dass beim Ackern und Pflügen, beim Haus-, und Straßenbau oder bei Großprojekten wie der Anlage einer Autobahn, Grenzsteine versehentlich verrutschen oder bewusst versetzt im Sinne von unter die Oberfläche, versenkt werden. Durch Verpachtungen und Zusammenlegung ist es bei landwirtschaftlich genutzten Flächen oft nur möglich, diese zu bearbeiten, wenn keine Grenzsteine aus dem Boden ragen. Häufig wird bei der Pacht schon vorab vereinbart, nach deren Beendigung die Grenzsteine wieder ins rechte Oberlicht zu rücken.

Siebener setzen Zeichen

Ob sichtbar von außen oder unsichtbar unter der Erde, der Standort bleibt erhalten, die Lage jedes Grenzsteins ist mit geheimen Zeichen rundum versehen, den sogenannten Siebenerzeichen. Diese besonders geformten Zeichen aus Ton, Glas, Porzellan oder Metall legen die Feldgeschworenen in einer nur ihnen bekannten Anordnung aus und erkennen so bei der nächsten Begehung an der Form und Lage, ob ein Stein versetzt oder verändert wurde. Zudem zeigen Karten die ursprüngliche Lage der Grenzsteine an. Seit 1900 ist es in Deutschland Pflicht, Grundstücke abzumarken. Die Feldgeschworenen arbeiten eng mit dem Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung zusammen. Wie viele Feldgeschworene insgesamt in einer Gemeinde zum Einsatz kommen, legt die Gemeinde fest, beim ersten Mal entscheidet der Gemeinderat. Danach gilt: Wer sich für den Job eines Feldgeschworenen interessiert, der braucht nichts zu tun. „Bewerben kann man sich nicht um den Posten des Feldgeschworenen, man wird auserkoren, denn die Gemeinschaft muss zusammenpassen“, erklärt Irmi Schneiker vom Amt für Sicherheit und Ordnung. 

Guter Leumund ist wichtig

Das heißt, die vorhandene Gruppe sucht selbst Gleichgesinnte und spricht diese an. So viel ist sicher: Man muss zuverlässig, unparteiisch und verschwiegen sein, gewissenhaft arbeiten und einen guten Leumund haben. Manchmal sind die Feldgeschworenen viel unterwegs, dann ist monatelang nichts zu tun. Großprojekte wie der genannte Autobahnbau oder Ähnliches erfordern ein höheres Engagement, die Flächen werden bebaut, die Steine versenkt oder neu gesetzt. Für ihre Arbeit erhalten die Ehrenamtlichen eine Aufwandsentschädigung, die Höhe der Gebühren erlässt der Kreisrat. In die Verantwortung der Feldgeschworenen liegt die Anbringung der Grenzzeichen, das Verbringen in die richtige Lage, das Erneuern sowie das Entfernen. Seit Dezember 2016 ist das Feldgeschworenenwesen in Bayern in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen, ein Zeichen der Wichtigkeit dieses Ehrenamtes. Auch wenn vieles heute von der Technik überrannt wird und Experten mit Koordinaten die Lage der Grenzsteine genau bestimmen können, romantisch bleibt sie schon, die Vorstellung vom Geheimnis der Siebener.

Hintergrund

Die Feldgeschworenen üben eines der ältesten kommunalen Ehrenämter aus. In Franken geht die Geschichte bis in das 13. Jahrhundert zurück. 1970 sollte das Ehrenamt in Bayern abgeschafft werden – die unterfränkischen Landtagsabgeordneten sprachen sich dagegen aus. Entstanden ist das Amt aus der Tatsache, dass Grundstücke von der gemeinsamen Bewirtschaftung in Eigentum übergingen. Jetzt bestand das Interesse an fest gesetzten Grenzen, anfangs konnte das die natürlich vorhandene Vegetation sein: Bäume, Hecken, Bach- oder Flusslauf. Später markierten Pfähle oder Steine die Abgrenzung, die mussten natürlich geschützt und kontrollierte werden. Alte Mark- und Feldgerichte hatten die Aufgabe Schiedsprüche in Grenzangelegenheiten zu fällen, so entstand die Institution der Feldgeschworenen. „Siebener“ wie die Gemeinschaft der Feldgeschworenen auch genannt wird, entstammt der Zahl der Personen, die das Ehrenamt je Gemeinde ausführen. Durch die ungerade Zahl wird in jedem Fall bei Unstimmigkeiten eine eindeutige Entscheidung gefällt.


Ehrungen Kreisvereinigung Hammelburg

25 Jahre Dienstzeit: Peter Schum, Feuerthal; Josef Mützel, Fuchsstadt; Peter Hart, Fuchsstadt; Josef Lutz, Morlesau; Richard Koberstein, Wartmannsroth; Bruno Adrio, Dittlofsroda; Michael Zeitz, Dittlofsroda; Hubert Wehner, Elfershausen; Reinhard Oswald, Gauaschach; Berthold Brust, Obererthal; Peter Helm, Obererthal; Erwin Holzinger, Obereschenbach; Otmar Zuckrigl, Obereschenbach; Alfred Tremer, Sulzthal; Thomas Herterich, Sulzthal; Anton Bischof, Wartmannsroth; Adolf Schottdorf, Wittershausen; 

40 Jahre Dienstzeit: Karl Josef Beck, Dittlofsroda; Eugen Reuter, Westheim; Hermann Müller, Diebach; Berthold Hofmann, Obereschenbach

50 Jahre Dienstzeit: Siegfried Koberstein, Völkersleier; Armin Trischler, Schwärzelbach; Albrecht Schipper, Reith

55 Jahre Dienstzeit: Karl Heilmann, Untererthal


Ehrungen Kreisvereinigung Bad Kissingen

25 Jahre Dienstzeit: Ernst Bünner, Winkels; Erich Köth, Lauter

40 Jahre Dienstzeit: Günther Wolf, Albertshausen

50 Jahre Dienstzeit: Georg Neugebauer, Aschach; Kreisobmann Otto Funck, Hausen; Anton Metz, Frauenroth

60 Jahre Dienstzeit: Eckbert Schmitt, Waldfenster


Ehrungen Waldgeschworene

25 Jahre Dienstzeit: Ludwig Plobner, Schondra; Uwe Enders, Schondra; Rudolf Strasser, Neuwirtshaus; Jürgen Müller, Schwärzelbach 

40 Jahre Dienstzeit:  Rudi Schultheis, Steinach

PM Feldgeschworene KG 

Auf dem Foto (von links, vorne): Ernst Bünner, Georg Neugebauer, Eckbert Schmitt, Rudi Schultheis; (von links, Mitte) Erich Köth, Anton Metz, Kreisobmann Otto Funck; (von links, hinten) Vermessungsdirektor Albert Köder, Günther Wolf und Landrat Thomas Bold. Foto: Landkreis Bad Kissingen/Anja Vorndran

PM FeldgeschworeneHAB
Die Feldgeschworenen aus Hammelburg nach der Ehrung im Landratsamt Bad Kissingen mit (Zweite Reihe, rechts) Kreisobmann Peter Hart, (Zweiter von links, hinten) Vermessungsdirektor Albert Köder und (hinten, rechts) Landrat Thomas Bold. Foto: Landkreis Bad Kissingen/Anja Vorndran

PM Waldgeschworene
Auf dem Foto zu sehen sind die Waldgeschworenen (von links, vorne) Jürgen Müller, Norbert Strasser, Ludwig Plobner mit (von links, hinten) Vermessungsdirektor Albert Köder und Landrat Thomas Bold. Foto: Landkreis Bad Kissingen/Anja Vorndran 

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