Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund unterstützen einander

Das Leben in einem neuen, fremden Land bedeutet mehr als eine neue Sprache. Kultur, gesellschaftliches Miteinander, behördliche Abläufe – alles ist anders. Wir können uns wohl kaum vorstellen, wie sich Menschen fühlen, die hier in Deutschland komplett bei null anfangen, Ausbildung, Job und Leben neu organisieren müssen – noch dazu, wenn sie aus ihrem Heimatland fliehen mussten.
Klar ist: Integration ist eine Herausforderung und braucht Unterstützung. Darum gibt es im Landkreis Bad Kissingen nun Landkreisnavigatoren/innen für Bildung, Beruf und Teilhabe. Elf Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund haben sich kürzlich dafür qualifiziert. Sie geben ihr Wissen an gleichsprachliche Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund weiter und helfen ihnen Fuß zu fassen.    

Um Landkreisnavigator zu werden, haben die Frauen und Männer eine Schulung absolviert. Diese organisierten der Landkreis und die Caritas in Kooperation. Ausgearbeitet wurde das Konzept in Zusammenarbeit von Integrationslotsin Jessica Müller und Andrea Herzer, Bildungskoordinatorin für Neuzugewanderte des Landkreises. Unterstützt wurden sie bei den Schulungen von Fachkräften der Agentur für Arbeit, der Erziehungsberatungsstelle der Caritas, einem ehemaligen Schulrat, einer Krankenversicherung und dem Gesundheitsamt.    
Nun übergaben Landrat Thomas Bold und die Geschäftsführerin des Caritasverbandes für den Landkreis Bad Kissingen, Anne Hilpert, die Zertifikate an die Landkreisnavigatoren/innen.
Landrat Bold bedankte sich bei den Landkreisnavigatoren/innen für ihren ehrenamtlichen Einsatz: „Ihr Engagement verdient Anerkennung! Es ist toll, dass Sie auf diesem Weg anderen Neuzugewanderten bei der Integration helfen!“
Auch Anne Hilpert gratulierte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zum erfolgreichen Abschluss der Schulungsreihe. „Danke, dass Sie Ihre Erfahrungen und Kenntnisse einbringen und sich in Ihrer neuen Heimat engagieren", so Frau Hilpert.

Die Integration in eine Gesellschaft funktioniert in erster Linie über Kommunikation und Bildung. Das Erlernen der deutschen Sprache und die Vermittlung von Basiswissen über das Bildungs- und Teilhabesystem sind notwendig, um sich in einer neuen, fremden Gesellschaft und Kultur zurechtzufinden. Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund kommen aufgrund von Sprachschwierigkeiten oft nur schwer oder vereinzelt an diese Informationen. Durch die Schulungen von Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund in den Bereichen Bildung, Beruf und Teilhabe soll eine Chancengleichheit ermöglicht und Zukunftsperspektiven eröffnet werden, um eine Teilhabe am öffentlichen lokalen Leben, dem Ergreifen von Bildungschancen oder einer Arbeitsmarktvermittlung zu fördern. Die Multiplikator/innen fungieren als Ansprechpartner/innen für andere Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund und können eine Vorbildfunktion einnehmen.

Die Landkreisnavigatoren/innen kommen aus Syrien, Afghanistan, Somalia, Kenia und Kirgisistan; eine Teilnehmerin ist Deutsche. Im ersten Modul „Bildung“ lernten sie das bayerische Schulsystem und die verschiedenen Kindertageseinrichtungen kennen. Ebenso standen wichtige pädagogische und finanzielle Hilfsmöglichkeiten für Familien auf dem Programm. „Jetzt kenne ich das Schulsystem und weiß, dass mein Kind nicht unbedingt auf das Gymnasium gehen muss, später aber trotzdem studieren kann“, so eine Teilnehmerin.
Wie schreibe ich eine Bewerbung? Welche Rechte und Pflichten habe ich im Beruf? Was ist ein duales Ausbildungssystem? Wie kann der Ramadan im Berufsalltag integriert werden? Welche Möglichkeiten habe ich zur beruflichen Weiterbildung? Diese und weitere Fragen wurden im Modul „Ausbildung und Arbeit“ erläutert, an dem Kursteilnehmer/innen großes Interesse zeigten und viele Fragen stellten.
Ein weiteres, breit gefächertes Modul war „Teilhabe und Partizipation“. Dieses erklärte den Kursteilnehmern/innen das Grundgesetz und damit einhergehende wichtige Grundrechte. Ebenso waren das Ärztesystem, Schwangerschaft und Sucht Thema. Daneben kamen auch Themen wie Versicherungen und bestimmte Umgangsformen für ein gutes Zusammenleben zur Sprache.

Aus einem ganz anderen Blickwinkel sahen die Kursteilnehmer/innen bislang die ehrenamtliche Arbeit. Ist in den Heimatländern der Landkreisnavigatoren/innen die Hilfe und Unterstützung durch den großfamiliären Zusammenhalt gesichert, so wird in Deutschland auf ehrenamtliche Helfer gesetzt. Viele der Kursteilnehmer/innen haben die Ehrenamtsarbeit bei ihrer Ankunft in Bad Kissingen kennengelernt. Durch diese Kontakte sind einige Kurteilnehmer/innen selbst zu ehrenamtlichen Helfern geworden und die Schulung zu Landkreisnavigatoren/innen dient so als Anerkennung und Unterstützung ihrer Tätigkeit. Einige der Teilnehmer/innen haben sich zudem bereit erklärt, dem Landkreis in Zukunft als Dolmetscher zur Verfügung zu stehen.

Bild_Landkreisnavigatoren - Stefan Seufert
Foto: Hintere Reihe: Jessica Müller (Integrationslotsin), Andrea Herzer (Bildungskoordinatorin für Neuzugewanderte), Mohamed Hassan Abdullahi, Said Sharif, Nabih Aleksh, Daniela Dacho, Landrat Thomas Bold; Vordere Reihe: Souzan Kouro, Anne Hilpert (Geschäftsführerin des Caritasverbandes), Awde Malak, Malika Mamyrova (Bild aufgenommen von: Stefan Seufert)

 

 

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