Wie man Fachkräfte findet

Die gravierenden Folgen des Fachkräftemangels sind auch im Landkreis Bad Kissingen zu spüren – quer durch alle Berufssparten. Eine Chance zur Lösung des Fachkräftemangels kann Integration sein. Antworten auf drängende Fragen zu finden, das war das Ziel der 2. Integrationskonferenz des Landkreises Bad Kissingen. Einen Nachmittag lang konnten sich Interessierte in der Wandelhalle im Staatsbad Bad Brückenau auf dem Markt der Möglichkeiten, bei Impulsvorträgen, während einer Diskussion mit Expertinnen und Experten und bei einem gemeinsamen Erfahrungsaustausch informieren. „Ziel muss es sein für Menschen, die eine Bleibeperspektive haben und arbeiten wollen, diese Möglichkeit zu schaffen. Davon profitieren schließlich wir alle. Die Menschen verdienen ihr eigenes Geld und haben eine Aufgabe“, sagte Landrat Thomas Bold bei der Begrüßung der rund 80 Teilnehmer und Teilnehmerinnen. „Sie spüren, dass sie dazu gehören und ein Teil unserer Gesellschaft sind. Der Sozialstaat wird entlastet und die Arbeitgeber können sich über motivierte Arbeitskräfte freuen, die momentan so schwer zu finden sind“, so Bold. Zu den aktuellen Zahlen: Seit Beginn der Ukraine-Krise sind rund 1.500 Flüchtlinge aus der Ukraine in den Landkreis gekommen. Frauen in der Ukraine sind laut der nationalen Statistikbehörde überwiegend in akademischen, technischen und medizinischen Berufen tätig – also genau in jenen Branchen, in denen hierzulande Fachkräfte fehlen. Die Geflüchteten könnten zumindest mittelfristig helfen, Engpässe am deutschen Arbeitsmarkt abzubauen.

PM Integrationskonferenz

Auf dem Foto (von links) Artur Born, Bernadette Vorndran, Thomas Stelzer, Kurdirektorin Andrea Schallenkammer, Dr. Lukas Kagerbauer, und Landrat Thomas Bold. (auf dem Foto fehlt Richard Moog) Foto: Landkreis Bad Kissingen/Jessica Müller

Viele Rädchen müssen ineinander greifen

„Damit dies gelingt, müssen jedoch viele Rädchen ineinander greifen. Verfahren müssen zügig durchgeführt und Integrationskurse angeboten werden. Gerade auch die Kinderbetreuung stellt unsere Kommunen vor große Herausforderungen. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, kann Integration gelingen. Ja, das ist ein Kraftakt, aber er zahlt sich letztlich für uns alle aus“, fasste der Landrat zusammen und dankte allen Verantwortlichen für ihr Engagement. Andrea Schallenkammer, Kurdirektorin des Staatsbads Bad Brückenau, wies ebenfalls auf die Wichtigkeit einer guten Integration hin. Die Referenten und Referentinnen gaben einen Einblick über die Möglichkeiten und Barrieren, die sich bei der Arbeitsmarktintegration ergeben. Zum Thema „Fachkräftemangel und Integration aus Sicht der Agentur für Arbeit“ lieferte Thomas Stelzer von der Agentur für Arbeit Schweinfurt jede Menge Fakten. „In Deutschland sterben seit 1972 jedes Jahr mehr Menschen als geboren werden“, fasste Stelzer, Vorsitzender der Geschäftsführung, das Dilemma nüchtern zusammen und unterlegte es mit einer weiteren Aussage aus dem Landkreis Bad Kissingen „auf 100 Personen zwischen 55 und 59 Jahren kommen als denkbarer inländischer Ersatz gerade einmal 52 im Alter von 15 bis 19 Jahren.“ Insgesamt, so Stelzer würde der deutsche Arbeitsmarkt ohne Zuwanderer „ganz schön alt“ aussehen. Nur mit einer Zuwanderung von jährlich 400.000 Personen bliebe das Arbeitskräfteangebot bis zum Jahr 2060 nahezu konstant. Im Jahr 2020 kamen lediglich rund 220.000 Menschen mehr nach Deutschland, als fortgezogen sind.

Barrieren und Chancen

Über „Barrieren und Chancen für die Einstellung von Geflüchteten“ referierte Dr. Lukas Kagerbauer, Bereichsleiter Berufsausbildung von der IHK Würzburg-Schweinfurt. Seit 2015 habe es mehr als 2,1 Millionen Asylanträge in Deutschland gegeben, so Kagerbauer. „Eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration ist essenziell für gelungene Integration insgesamt“, betonte er „die Ausbildungsbeteiligung von Geflüchteten bietet noch Potenziale.“ Er stellte die Ergebnisse einer Studie vor, deren Ziel Ergebnisse waren, die zu einer erfolgreichen und nachhaltigen Integration von Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt beitragen. Zu den Fragen zählt, welche Faktoren darüber entscheiden, ob ein Unternehmen einen Geflüchteten oder eine Geflüchtete für einen Arbeitsplatz auswählt, oder was Geflüchtete einerseits, Politik und Verbände andererseits, tun können um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Die Sprache ist und bleibt eine zentrale Herausforderung. Aus der Studie konnte abgeleitet werden, dass eine verlängerte Ausbildung mit integrierter (Fach-)Sprache, analog zum bereits existierenden Coburger-Modell (1+3) große Potenziale für die Betriebe bietet und damit die Einstellungswahrscheinlichkeit von Geflüchteten verbessert. Eine Ausweitung des Modells ist daher empfehlenswert. Unternehmen erwarten von den Bewerberinnen und Bewerbern Verlässlichkeit und Motivation. Als mögliche Handlungsempfehlungen für Geflüchtete nannte Kagerbauer die aktive Suche und Aufnahme von Schnupperpraktika sowie das Einholen von Empfehlungen und Zertifikaten.

Glänzende Aussichten

Richard Moog von der HWK, zuständig für die Beratung und Betreuung von Betrieben zu ausländerrechtlichen Belangen und Unterstützung bei der Suche nach Ausbildungsplätzen und deren Besetzung, bescheinigte den ausländischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen „glänzende Perspektiven“ und zeigte anhand seiner täglichen Arbeit bei der Vermittlung in Ausbildung auf, wo sich die jeweiligen Herausforderung verstecken. Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausbildung, sei die deutsche Sprache (Empfehlung: B2-Niveau), so Moog, denn Ausbildung und die begleitende Berufsschule finden in deutscher Sprache statt. Es wurde aufgezeigt, dass die Menschen, die erfolgreich eine Ausbildung in Deutschland absolviert haben, zum einen eine dauerhafte Bleibeperspektive in Deutschland und daneben auch exzellente Verdienst und Aufstiegsmöglichkeiten haben könnten. Er zitierte Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Agentur für Arbeit, aus ihrer Presseerklärung vom 31. August 2022: „Es gibt tatsächlich gute Perspektiven, dass man heutzutage mit dem eingeschlagenen Weg als Handwerker sogar mehr verdient, als wenn man einen Bachelor-Studiengang macht“. Dem sei nichts hinzuzufügen, so Moog. Er zeigte auch auf, dass die Vermittlung von Flüchtlingen in Ausbildung bisher eine Erfolgsgeschichte sei und warb dafür die Potenziale der Flüchtlinge zu nutzen und diesen Perspektiven in Deutschland zu geben.

Sprache bei der Integration

Wie wichtig Sprache bei der Integration und beim Finden einer Arbeit ist, hob auch Artur Born vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in seinem Vortrag „Spracherwerb: Bedarfsgerechte Sprachkurse für den Arbeitsmarkt“ hervor. Der Weg führe von Integrationskursen zu Berufssprachkursen hin zur Integration in den Arbeitsmarkt. Er erklärte die rechtliche Seite – welcher Personenkreis für einen Integrationskurs infrage kommt – und wie der Abschlusstest und das Zertifikat gestaltet sind. Nach Bestehen des Deutschtests für Zuwanderer und dem Test des Orientierungskurses „Leben in Deutschland“ erhalten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen das Zertifikat zum Integrationskurs. Zudem gibt es noch einen Test „Leben in Deutschland“ und den Einbürgerungstest. Keine einfache Sache. Für die berufsbezogene Förderung der deutschen Sprache gab Born einen Überblick für Auszubildende und stellte weitere Förderprogramme vor. Aus dem Fachbereich Ausbildung und ausländische Pflegekräfte referierte Bereichsleiterin Bernadette Vorndran von der Carl von Heß Sozialstiftung. In den elf Einrichtungen der Stiftung arbeiten Personen aus unterschiedlichen Ländern. Beispielsweise aus den Philippinen, Marokko, Rumänien, Polen, Afghanistan, Syrien und Nigeria. „Die Pflegekräfte sind hoch motiviert“, berichtete Vorndran, „sie wollen in Deutschland leben und arbeiten, um ihre Familien finanziell zu unterstützen.“ Als Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Pflegekräften aus dem Ausland nannte sie unter anderem die hohen Kosten, sprachliche Barrieren und kulturelle Unterschiede. Sie beschrieb die Vor- und Nachteile der ländlichen Region – gute Infrastruktur dafür aber lange Anfahrten in die nächstgrößeren Städte. Über eine strukturierte Begleitung in der ersten Zeit in Deutschland, feste Ansprechpartner, Stammtische, Netzwerkarbeit oder Begleitung zu Amtsterminen habe man gute Erfolge erzielt, berichtete Vorndran. Sie erklärte das Projekt Triple Win, das seit 2015 zur Anwerbung von philippinischen Pflegekräften zum Einsatz kommt. Triple Win ist ein Projekt in Kooperation der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit. Ziel ist die nachhaltige Gewinnung von Pflegekräften aus dem Ausland. Dies erfolgt ausschließlich in Ländern, mit einem Überhang an sehr gut qualifizierten Pflegefachkräften.

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