„Vielen Dank, dass Sie mir geholfen haben!“

„Mein Vater sitzt eh nur besoffen da und schreit meine Mutter an.“ „Ich tue mir selbst weh, um einen kurzen Moment Ruhe zu empfinden.“ „Der Verweis ist mir egal, meine Eltern interessieren sich eh nicht für mich.“ Es sind Zitate, die unter die Haut gehen. Zitate von Schülerinnen und Schülern, die resigniert haben, für sich keine Perspektive mehr sehen – oder sogar über Suizid als letzten Ausweg nachdenken.

„Manchmal ist es fünf vor zwölf – aber Dank der präventiv ausgerichteten Jugendsozialarbeit an Schulen können wir meist schon viel früher unterstützen“, sagt Georg Schulz-Hertlein. Er koordiniert für das Jugendamt des Landkreises Bad Kissingen die Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS), vernetzt Träger und Fachkräfte miteinander und entwickelt das Angebot weiter. „Auch nach 10 Jahren erschüttert es mich noch immer, mit welchen Problemen die Kinder und Jugendlichen zu kämpfen haben: Ängste, Armut, Missbrauch, suchtkranke Eltern oder psychische Gewalt – das ist leider die gesellschaftliche Realität, mit der die Lehrkräfte und damit auch unsere Fachkräfte regelmäßig konfrontiert werden“, erklärt er. 

Angebot, das jungen Menschen in besonderen Lebenslagen hilft

Im Jahr 2002 startete in Bayern das Förderprogramm „Jugendsozialarbeit an Schulen“. Der Landkreis Bad Kissingen stieg 2013 als einer der letzten Landkreise im Freistaat ein. „Der Start war leider etwas holprig, Zuständigkeiten und Bedarfe mussten geklärt werden, außerdem mussten wir um die Finanzierung ringen“, erinnert sich Landrat Thomas Bold. „Aber wir haben uns dahintergeklemmt. Denn es war klar, dass im Landkreis Bad Kissingen ein ergänzendes Angebot benötigt wird, das jungen Menschen in besonderen Lebenslagen hilft. Und als es dann endlich losgehen konnte, waren alle Beteiligten mit Feuereifer bei der Sache.“ 

JaS

Ängste, Armut, Missbrauch, suchtkranke Eltern oder psychische Gewalt – mit solchen und ähnlich gravierenden Problemen haben auch Kinder und Jugendliche im Landkreis Bad Kissingen zu kämpfen. Foto: R. Reith

JaS: ein Netz an Hilfen

Mittlerweile gehört die JaS zu den tragenden Säulen der Kinder- und Jugendhilfe im Landkreis: Im Jahr 2017 gab es das Angebot an 8 Schulstandorten, mittlerweile sind es 21. „Die JaS bildet sozusagen gemeinsam mit den Lehrkräften, Schulpsychologinnen und -psychologen sowie Beratungslehrkräften eine pädagogische Hausgemeinschaft. Dadurch entsteht eine Vernetzung von Kompetenzen, die ein Netz an Hilfen bietet, das direkt dort wirkt, wo junge Menschen sich gemeinhin häufig aufhalten – in der Schule“, erklärt Thorsten Ukena von der Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration, gfi gGmbH. Sie war der erste JaS-Träger im Jahr 2013 – und ist es bis heute geblieben. 

Zu den Schulpionieren gehört neben der Staatlichen Berufsschule die Saaletal-Schule. Dort benötigen die Schülerinnen und Schüler ganzheitliche Förderung, „und auch die Eltern und Lehrkräfte erhalten von der JaS Unterstützung“, erläutert die stellvertretende Schulleiterin Stefanie Lösch. „So kann positiv Einfluss genommen werden beim Erarbeiten von Lösungsstrategien. Lern- und Lebenssituationen können verbessert werden, außerdem können wir Krisen schnell begegnen und Unterstützung anbieten. Durch ein hervorragendes Netzwerk können zudem weitere Fachdienste zeitnah kontaktiert und involviert werden.“

Im Mittelpunkt der Arbeit steht der einzelne Schüler bzw. die einzelne Schülerin, sagt Hilda Wischnewski. Die Diplom-Pädagogin unterstützt als Fachkraft die JaS an der Berufsschule Bad Kissingen. „Dadurch, dass das Angebot direkt an den Schulen verortet ist, fällt es den Kindern und Jugendlichen leichter, auf uns Fachkräfte zuzugehen und sich uns mit ihren Sorgen, Problemen und Fragen anzuvertrauen.“ Ziel sei es auch, das Selbstbewusstsein der Kinder und jungen Leute zu stärken. „Außerdem fördern und begleiten wir mit unserer Arbeit ihre Selbstverantwortung und Selbständigkeit.“

Wünsche für die Zukunft

Die JaS wird stetig weiterentwickelt, Ziele überprüft und neue Strategien entwickelt. Dabei bringen sich auch die Schulen und Träger mit Ideen ein. „Für die Zukunft wünsche ich mir, dass besonders viele Menschen Freude am Dialog und an der Begegnung haben, offen sind, nach Verständigung suchen und einen guten Umgang mit den eigenen Bedürfnissen und denen anderer entwickeln können“, sagt beispielsweise Thorsten Ukena. „Zusätzlich wünsche ich mir, dass sich diese Freude zu einem Berufswunsch manifestiert und junge Menschen stärker pädagogische Berufe anstreben.“ Und Stefanie Lösch wünscht sich „pro Schule eine tägliche Unterstützung durch die JaS, um noch gezielter, situationsbezogen und zeitnah helfen zu können.“

Auch die Schülerinnen und Schüler wissen das Engagement des Netzwerks zu schätzen, betont Hilda Wischnewski: „Das schönste Dankeschön für uns ist ein Abschied im Sinne von: ‘Vielen Dank, dass Sie mir geholfen haben. Jetzt geht es mir wieder besser.‘“

10 Jahre JaS im Landkreis Bad Kissingen in Zahlen:

  • 2013: 
    • 2 Schulstandorte (Saaletalschule Bad Kissingen, Staatliche Berufsschule Bad Kissingen)
    • 1 Träger (Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration Bad Kissingen, gfi gGmbH)
       
  • 2023: 
    • 21 Schulstandorte
    • 3 Träger (gfi gGmbH, Gesellschaft zur beruflichen Förderung Bad Kissingen (GbF) und Kolping)

  • Im Jahr 2022… 
    • wurden insgesamt 1.022 Schülerinnen und Schüler durch die JaS erreicht, davon hatten 31 Prozent einen Migrationshintergrund.
    • Am häufigsten benötigten Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 12 Jahren Unterstützung.
    • Hauptanlass waren Konflikte mit Mitschülerinnen und Mitschülern, gefolgt von familiären und psychischen Problemen.
    • Meist wurden die jungen Menschen auch außerhalb der Jugendhilfe weiter unterstützt, am häufigsten durch Ärzte und Psychologen, Angebote der Ganztagsschule oder den Mobilen Sonderpädagogischen Dienst (MSD).

  • Förderfähige Schultypen seit 2012 waren:
    • Mittelschulen
    • Förderschulen
    • Berufsschulen
    • Grundschulen mit einem Migrationsanteil von mind. 20%
    • Realschulen mit signifikant hohem Bedarf in besonderen Fällen

  • 2021 kamen mit neuen Förderrichtlinien neue Schultypen dazu, u.a.
    • Realschulen ohne Einschränkung
    • Wirtschaftsschulen
    • Berufsfachschulen


 

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